Bereits jetzt sind die Produktivkräfte so hoch entwickelt, dass der Mensch wesentlich planend, lenkend und organisierend neben den Produktionsprozess treten kann. Im Sozialismus sind Hochschulen eine zivilgesellschaftliche Institution, in der diese gesellschaftlicher Planung, Lenkung und Entwicklung realisiert wird und sich die Bildungssubjekte für diese Aufgabe qualifizieren. In dem Maße, in dem die Menschen als sozial gleiche assoziiert demokratisch über Ziel und Inhalt der Produktion verfügen und somit die gesellschaftliche Entwicklung bewusst gemeinsam kontrollieren, schaffen sie die Bedingungen für die freie Entfaltung eines jeden. Individuelle und kollektive Emanzipation bilden daher eine Einheit.
Deshalb hat individuelle Emanzipation wenig gemein mit dem traditionellen bürgerlichen Bildungsideal der umfassenden und autonom neben der Gesellschaft stattfindenden Bildung und Wissenschaft.
Dieses bürgerliche Bildungsideal ist zum einen durch die wissenschaftliche Arbeitsteilung nicht mehr realisierbar. Zum anderen verschleiert die proklamierte Autonomie der Hochschule, die euphemistisch als Freiheit der Wissenschaft missverstanden wird, die tatsächliche Abhängigkeit der Hochschule von der öffentlichen und zunehmend auch privaten Finanzierung und insbesondere den Ansprüchen an die bloße Marktverwertung ihrer Leistungen. Durch selbstbestimmte, kollektiv-demokratische Prozesse kann das bürgerliche Bildungsideal der Aufklärung radikalisiert und im positiven Sinne erneuert werden. Emanzipatorische Bildung und Wissenschaft sind nur im gesellschaftlichen Kontext denkbar. Sie müssen immer die Gesamtheit und ihre Wechselwirkungen mit einbeziehen, um den gesellschaftlichen Realitäten gerecht zu werden. Dies bedingt aber auch, dass Wissenschaft und Lehre nicht neutral sein können, sondern sich immer inmitten gesellschaftlicher Auseinandersetzungen befinden.
Freiheit der Wissenschaft kann also nicht darin liegen, ihre Zweckfreiheit zu betonen. Vielmehr ist kritische Wissenschaft nur möglich, indem ihre gesellschaftliche Dimension immer mit einbezogen wird. Die Ansprüche der Gesellschaft an Forschung und Lehre müssen von ihr selbst auf ihre Berechtigung überprüft und dürfen nicht zurück gewiesen werden. Ein Rückzug in den wissenschaftlichen Elfenbeinturm ist gesellschaftlich nicht sinnvoll und deshalb nicht zu akzeptieren. Stattdessen werden wir die gesellschaftliche Auseinandersetzung um den Zweck und Inhalt von Forschung und Lehre führen.
Weil wir diese Auseinandersetzung demokratisch gestalten werden ist ein zentrales Ziel die demokratische Organisation und Selbstverwaltung der Hochschule. Dazu gehört eine Demokratisierung der Hochschulverwaltung in Form der Viertelparität, die die Statusgruppen der Professor*innen, der Studierenden und der wissenschaftlichen sowie der technisch-administrativen Mitarbeiter*innen gleichberechtigt an der Meinungsbildung beteiligt. Damit ist gewährleistet, dass alle Mitglieder an der Hochschule über gleiche Mitbestimmungsmöglichkeiten verfügen. Somit können Studierende als größte Gruppe an der Hochschule realen Einfluss auf die Ausgestaltung der Hochschule nehmen. Damit steigen gleichzeitig die Notwendigkeit der Verfassten Studierendenschaft und die Bereitschaft, sich aktiv an den demokratischen Prozessen der Hochschule zu beteiligen. In Bezug auf den Einfluss von anderen gesellschaftlichen Gruppen außerhalb der Hochschule muss ein demokratisch gewähltes, paritätisch besetztes Gremium geschaffen werden, in dem Anforderungen an die Hochschule formuliert werden.
Die Ablehnung des wissenschaftlichen Elfenbeinturms beinhaltet auch einen stärkeren Bezug auf gesellschaftliche Realitäten in Forschung und Lehre. Im heutigen Kapitalismus verbirgt sich hinter dieser Forderung allerdings eine stärkere Marktorientierung, die bei vielen Studierenden unter dem Druck der mangelnden Studienfinanzierung, des Arbeitsmarktes und auf Grund der lebensfernen Konzeption vieler Studiengänge häufig positiv aufgenommen wird. Wir stellen uns eindeutig gegen eine unkritische Zurichtung von Forschung und Lehre auf die bloßen, kurzfristigen Anforderungen des Marktes. Stattdessen stehen wir für einen Realitätsbezug im Sinne einer Überprüfung von Forschungsergebnissen in der Praxis und einer Reflexion über die zukünftige Übersetzung des Erlernten und Erforschten in Beruf und Freizeit ein. Durch eine kritische Selbstreflexion über Forschung und Lehre müssen sich Lehrende, Lernende und Forschende immer wieder der Instrumentalisierung durch gesellschaftliche Einzelinteressen entziehen und dazu beitragen, Wissenschaft und Bildung als kritische Rationalität im Dienste des Menschen zu betreiben.
Die neue Linke an der Hochschule
Wir organisieren die Linke an den Hochschulen neu. Die Hochschule ist der Ort an dem wir einen Großteil unseres Studienlebens verbringen. Hier leisten wir einen Beitrag zum Aufbau einer neuen Linken. Es wird Zeit, dass sich die Kräfte zusammenschließen, die die Auseinandersetzung gegen Krieg und Sozialabbau, gegen Diskriminierung jeder Art, für den Erhalt der Umwelt und für eine offene demokratische und gesellschaftskritische Hochschule führen.
Wir organisieren uns bundesweit an den Hochschulen, bundesweit um eine andere Politik ringen und neue politische und kulturelle Entwicklungsräume erstreiten. Es ist an der Zeit die regionale Zersplitterung zu überwinden, die uns durch die föderalen Strukturen im Bereich der Hochschulpolitik nahe gelegt wird. Wir brauchen einen bundesweit organisierten, starken linken Studierendenverband. Wir sind hochschulpolitisch aktiv und entwickeln politische Forderungen, Strategien und Handlungsmöglichkeiten und Vorstellungen einer demokratischen Hochschule, die wir bundesweit artikulieren. Dazu arbeiten wir in der Verfassten Studierendenschaft, in den studentischen Interessenvertretungen im Süden der Republik und in der Akademischen Selbstverwaltung mit und kämpfen darum die dortige politische Hegemonie nach links zu bewegen. Dabei grenzen wir uns nicht reflexartig von anderen ab, sondern sehen andere linke Gruppen an der Hochschule ebenso wie Gewerkschaften als wichtige Akteure, mit denen wir zusammenarbeiten wollen.
Wir setzen an den Problemen und Interessen der Studierenden an und möchten gemeinsam mit ihnen, aber auch mit Dozent*innen und Hochschulangestellten, Veränderungen durchsetzen. Darüber hinaus kämpfen wir für den Erhalt bzw. die Einführung der Verfassten Studierendenschaften sowie für das allgemeinpolitische Mandat und werden dieses offensiv wahrnehmen. Dazu gehören auch die Verankerung kritischer Wissenschaft und Freiräume für Diskussionen über kritische, linke und marxistische Theorie an der Hochschule. Wir brauchen die intellektuelle Auseinandersetzung über gesellschaftliche Gegenentwürfe und Strategien ihrer Umsetzung für unsere politische Praxis und vereinen beides miteinander. Daneben ist die soziale Situation der Studierenden ein wichtiger Bezugspunkt unserer politischen Arbeit. Zentrales Element dieser Arbeit ist der Kampf gegen jedwede Form von Studien- und Verwaltungsgebühren und der Kampf für eine elternunabhängige und bedarfsdeckende finanzielle Grundsicherung, sowie eine Studienorganisation, die Menschen in allen Lebenslagen ihr Studium ermöglicht.
Die zunehmende Unsicherheit unter Studierenden nähert sich Erfahrungen lohnabhängig Beschäftigter an. In dieser gemeinsamen Erfahrung der Unsicherheit sehen wir eine neue Entwicklung, an die es anzuknüpfen und die es zu politisieren gilt. Unseres Erachtens kann sie Quelle neuer Bündniskonstellationen sein, in denen soziale Interessen zum Ausgangspunkt gemeinsamer Kämpfe werden könnten.
Gleichzeitig begreifen und nutzen wir die Besonderheiten der Hochschule als Austragungsort gesellschaftlicher Auseinandersetzungen. Immer noch sind die Entwicklungsmöglichkeiten von Studierenden wesentlich größer als diejenigen der Menschen, die sich unmittelbar in den Zwängen von Arbeitsverhältnissen befinden. Erstens haben wir an der Hochschule gerade wegen ihrer gesellschaftlichen Funktion der analytischen Auseinandersetzung mit der Welt leichter die Möglichkeit, Kritik in Abgrenzung zum Mainstream zu entwickeln und kritische Wissenschaft zu diskutieren und zu verankern. Zweitens konnten bis heute erhebliche von der 68er Bewegung errungene demokratische Selbstverwaltungs- und Teilhabemöglichkeiten verteidigt werden. Drittens können wir uns an den Hochschulen leichter zu politischen Bewegungen konstituieren. Wir sind in einem großen betriebsähnlichen Umfeld mit einer hohen Konzentration von Menschen die kollektiv arbeiten und lernen. Gleichzeitig sind wir aber anders als Beschäftigte in Betrieben weniger Repressionen ausgesetzt und nicht sofort darauf angewiesen Mehrheiten z.B. für einen Arbeitskampf zu gewinnen, um politisch handlungsfähig zu werden. Diese Vorteile loten wir aus, die Organisierung der Linken an der Hochschule treiben wir voran und binden sie in eine Perspektive gemeinsamer gesellschaftlicher Kämpfe ein. Wir sehen uns verbunden mit den Kämpfen sozialer Bewegungen wie der Gewerkschaften, der Erwerbslosen-, der Friedens- und der globalisierungskritischen und Klimagerechtigkeits Bewegung, antifaschistischen und emanzipatorischen Gruppen. Gesellschaftliche Kräfteverhältnisse werden sich nur gemeinsam mit diesen außerparlamentarischen Akteuren verschieben lassen. Als Studierendenverband sind wir Bestandteil der Linksjugend solid. Diese sowohl organisatorische als auch politische Verbundenheit drückt sich in einer engen Zusammenarbeit und gegenseitiger Unterstützung aus.
Wir beziehen uns positiv auf die Partei DIE LINKE., weil sie für einen linken gesellschaftlichen Aufbruch steht und eine zentrale Rolle in den kommenden gesellschaftlichen Auseinandersetzungen einnimmt.
Dessen ungeachtet beharren wir auf unserer politischen und organisatorischen Autonomie und vertreten unsere politischen Positionen gegenüber der Partei DIE LINKE. offensiv. Auch im Verhältnis zur Partei DIE LINKE. wollen wir unserem politischen Anspruch gerecht werden. Wir bringen unsere bildungspolitischen Forderungen und Stellungnahmen in die Partei ein, sind ein qualifizierter Ansprechpartner für hochschulpolitische Fragen und beschränken uns dabei dennoch nicht auf die Formulierung hochschulpolitischer Forderungen.